Luckenwalde
Aus Alt mach Neu. Für das Logo des neuen „Kunststroms“, der im gut 100 Jahre alten E-Werk in Luckenwalde produziert wird, nutzte Gründer Pablo Wendel die aus Buntglas gefertigte Eingangstür. Wendel erlernte und studierte in Stuttgart den Beruf des Steinbildhauers. Im Jahr 2012 gründete er Performance Electrics, einen Stromanbieter der besonderen Art. Mit ihm fing er an, Strom an wechselnden Standorten in Verbindung mit künstlerischen Projekten zu produzieren.
Luckenwalde ist der bisherige Höhepunkt der elektrisierenden Projekte Wendels. „Ich habe das Werk, mit seiner riesigen Gesamtfläche, zu einem sehr guten Preis erhalten“, sagt Wendel, ohne den Betrag zu nennen. Das Elektrizitätswerk wurde einst 1913 innerhalb nur eines Jahres gebaut. „Und das ohne Strom, den gab es ja damals noch nicht“, erklärt Wendel. Die Kapazität reichte aus, um auch die umliegenden Gemeinden mit Strom zu versorgen. Damals dachte man schon höchst nachhaltig: Mit der Abwärme wurde das nebenan befindliche Stadtbad geheizt. Es steht heute leer.
Wendel jedenfalls restaurierte die alte Anlage zur Stromerzeugung des E-Werks. Statt mit Kohle wie in alten Zeiten kommen heute aber Holzscheite in die Öfen, die von einem historischen Schaufel-Förderband vom Keller in den ersten Stock transportiert werden. Das Kraftwerk ist eigentlich ein Industriemuseum, Technikgeschichte ist hier allgegenwärtig. Zur Instandsetzung nutzte Wendel Recycling-Güter: „Den alten Gastank habe ich aus dem Schrotthandel. Den haben wir geschweißt, und jetzt ist er der Warmwasserspeicher.“ Momentan ist die Stromproduktion des modernen Holzkraftwerks mit Kraft-Wärme-Kopplung noch sehr klein, Wendel will sie aber mittelfristig ausdehnen: Rund 200 Haushalte sollen nach der Einspeisung ins öffentliche Netz mit seinem Strom versorgt werden können.
Die Renovierung der Anlage war ein Gemeinschaftsprojekt. Durch die von Pablo Wendel initiierte Aktion „Workaway“ kamen bisher über 50 Künstler*innen aus aller Welt, um freiwillig zu helfen. Sie bringen dafür ihr Wissen ein. Im Gegenzug sind Kost und Logis frei.
Das Projekt bringt wiederum so Kunst in die Provinz. Im Garten des E-Werks steht ein futuristisch wirkender „Fluxdome“ der Künstler Lukasz Lendzinski und Peter Weigand. Im restlichen Teil des Hauses sind Werkstätten und Ateliers untergebracht. Die Einnahmen der Vermietung dienen dem E-Werk zur Finanzierung der Kunstprojekte. Auch die Künstler*innen, die hier arbeiten, nutzen Wiederverwertetes. Wendel deutet auf alte Werkbänke, denen man jahrzehntelange Arbeit ansieht. „Die hat eine Schule aus Schwaben weggeschmissen, für mich unverständlich.“
Ländliche Transformation: Raddusch
Wenn man Daniel Walaschek nach den Gründen fragt, warum er Berlin den Rücken gekehrt hat, hört man das, was viele erzählen. Die Hauptstadt werde immer voller, die Freiräume, die es etwa in den 90er-Jahren vor allem im Ostteil der Stadt gab, verschwänden zusehends. Er sagt: „Ich wohnte im Prenzlauer Berg und habe für einen Stuttgarter Verlag als Web-Entwickler für digitale Oberflächen gearbeitet.“ Die meiste Zeit im Homeoffice aus Berlin. Reisen nach Stuttgart standen pro Jahr nur etwa zweimal an.
Zusammen mit zwei Freunden fasste Walaschek vor einigen Jahren den Entschluss, der Stadt den Rücken zu kehren. Er fand einen alten Gasthof in Raddusch, einem kleinen Dorf im Spreewald. Walaschek zählt auf: „Dazu gehören ein 2.500 Quadratmeter großes Grundstück, 400 Quadratmeter Nutzfläche und ein alter Tanzsaal von 180 Quadratmeter. Alles in einem ziemlich verfallenen Zustand, mitsamt alten Ställen im Hinterhof.“ Ein Schnäppchen für 40.000 Euro.
Daraus ließe sich etwas machen, erkannte Walaschek. Allerdings waren hohe Investitionen nötig. Er beauftragte Fachfirmen. Das Vorderhaus ist mittlerweile solide renoviert. Auf der Website der „Kaiserlichen Postagentur“, so der Name des Areals, lassen sich die aufwendigen Renovierungsschritte gut nachvollziehen. Neben der Gastwirtschaft waren mal ein Kolonialwarenladen und eben eine Kaiserliche Postagentur ansässig. Auch eine Fleischerei gab es im Haus und ein gemütliches Jagdzimmer.
Bei der Renovierung beließ Walaschek Details wie die alten, hölzernen Fensterrahmen und setzte von außen wärmedämmende neue Rahmen auf. Die Fassade wurde mit Ornamenten neu gestaltet. In den ehemaligen Gasträumen des Gasthofs schuf er neue Projekträume, die als Büroräume gemietet werden können. Bevorzugt von sozialen Unternehmen, die eine nachhaltige Regionalentwicklung möglich machen.
Für…
Besondere Transformation: Im gut 100 Jahre alten E-Werk in Luckenwalde wird heute wieder Strom produziert – in Verbindung mit künstlerischen Projekten.