Durstige Städte

Wenn Wasser in Metropolen knapp wird

Jede vierte Großstadt weltweit hat Probleme mit ihrer Wasserversorgung. Die Ursachen liegen nicht nur im Klimawandel: Missmanagement, Korruption und soziale Ungleichheit verschlimmern die Situation.

Die Warnung klang wie aus einem Weltuntergangsfilm: “Day Zero” oder die “Stunde null” wird der Tag sein, an dem die Wasserhähne abgedreht werden. Dieses Szenario hatte die Regierung von Kapstadt vor knapp drei Jahren ausgesprochen – als Reaktion auf die schwere Dürre und Wasserkrise, welche die südafrikanische Stadt heimsuchte. Swimmingpools auffüllen, den Rasen sprengen oder Autos mit Leitungswasser waschen stand damals unter Strafe, maximal 50 Liter am Tag durften die Bewohner*innen verwenden. Am Ende gelang es gerade noch, die drohende Wasserkatastrophe abzuwenden.

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Kapstadt war zwar die erste große Stadt, die beinahe kein Wasser mehr zur Verfügung hatte – sie ist aber längst nicht die einzige, die mit Wasserknappheit zu kämpfen hat. Laut Daten des World Resources Institute leiden 17 Länder weltweit und rund ein Viertel der globalen Bevölkerung unter extremem “Wasserstress” – jedes Jahr verbrauchen sie beinahe das gesamte Wasser, das ihnen zur Verfügung steht. Jede vierte der 500 größten Städte erlebt regelmäßig Engpässe bei der Wasserversorgung. Darunter befinden sich auch einige der am schnellsten wachsenden Metropolen der Welt: São Paulo, Brasilien, Chennai (Indien) oder Mexiko-Stadt – sie alle litten in den letzten Jahren an Wasserknappheit oder Wasserverschmutzung.

Diese Karte zeigt die durchschnittliche Wassernutzung der verschiedenen Länder im Verhältnis zum Grundwasserstress. Ein höherer Prozentsatz bedeutet, dass mehr Menschen um eine begrenzte Wasserversorgung konkurrieren.
Bild: World Resources Institue / Andrew Maddocks

Wasserknappheit: Verschiedene Ursachen

Die Ursachen sind laut Berichten der Vereinten Nationen verschieden. Bevölkerungswachstum, steigende Nachfrage, Klimawandel, aber auch fehlende Infrastruktur oder ein Versagen der Institutionen können zu Wassermangel führen. 69 Prozent der weltweiten Wassernutzung entfallen auf die Landwirtschaft, 19 Prozent auf die Industrie und die restlichen zwölf Prozent auf Haushalte, wie es in einem Bericht der FAO heißt. Eine schlechte Trinkwasserversorgung und problematische Sanitärsysteme tragen auch dazu bei, das Coronavirus zu verbreiten.

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So hat beispielsweise Mexiko-Stadt mit seinen rund 21 Millionen Einwohner*innen seit vielen Jahren Probleme mit der Wasserversorgung. Einerseits sorgen die heftigen Regenfälle in der auf über 2.000 Meter Seehöhe gelegenen Stadt immer wieder für Überschwemmungen des Kanalsystems. Andererseits führt eine veraltete Wasserinfrastruktur dazu, dass rund 40 Prozent des Wassers verloren gehen. Weil die Stadt seit Jahren immer mehr Wasser aus den Reserven im Untergrund pumpt, kommt es teilweise bereits zu einem Absinken einzelner Regionen sowie zu einem höheren Erdbebenrisiko. Am meisten betroffen sind die ärmeren Bewohner. 20 Prozent der Einwohner*innen haben meist nur für ein paar Stunden am Tag fließendes Wasser.

Plastikkugeln und abgeschleppte Eisberge

Mögliche Lösungen für das Wasserproblem reichen von neuen Wasserquellen über Recycling und eine bessere Infrastruktur bis hin zu scheinbar abstrusen Ideen und Projekten. Viele Küstenregionen wie beispielsweise Qingdao in China oder Kuwait nutzen Meerwasserentsalzungsanlagen für die Trinkwassergewinnung. Allerdings wird für diesen Prozess mehr Energie benötigt, weshalb das Wasser generell teurer ist als Frischwasser aus Flüssen oder dem Grundwasser. Zusätzlich können Abwässer “recycelt” werden, indem in einem mehrstufigen Verfahren Verunreinigungen und Giftstoffe entfernt werden. Regierungen können Landwirt*innen dabei unterstützen, von wasserintensivem Anbau, beispielsweise Reis, auf weniger intensive Anbauprodukte zu wechseln.

In Mexiko-Stadt wurde vergangenes Jahr ein mehr als 60 Kilometer langer und 200 Meter tiefer Abwassertunnel fertiggestellt, der helfen soll, mit dem Abwasser der Stadt fertigzuwerden. Die Stadtregierung von Los Angeles ließ 2015 96 Millionen “shade balls” – schwimmende schwarze Plastikkugeln – in ein Trinkwasserreservoir einführen, um die Verdunstung des Wassers zu verlangsamen. In Kapstadt schlugen Forscher*innen vor, einen Eisberg aus der Antarktis zur Küste der Stadt zu bringen und damit die Wasserversorgung sicherzustellen. Nicht zuletzt wird mithilfe von Big Data versucht, Lecks in Wasserleitungen zu erkennen sowie Überschwemmungen vorherzusagen.

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Wasserknappheit: Soziale Ungleichheit bleibt

Drei Jahre nach der Dürre und Wasserkrise in Kapstadt hat die Stadt dutzende Projekte für Wassersparmaßnahmen umgesetzt, nach neuem Grundwasser gebohrt, mehrere Meerwasserentsalzungsanlagen und Abwasseraufbereitungsanlagen errichtet. Einige Expert*innen und Umweltschutzorganisationen sind trotzdem skeptisch: Südafrika ist eines der weltweit trockensten Länder, gleichzeitig steigt der Wasserkonsum im Land.

Und auch die langfristige Frage nach der Verteilung von Wasser bleibt. “Während die Reichen ihre eigenen Lösungen in Krisen finden, müssen die Armen auf staatliche Hilfe warten”, heißt es von der Denkfabrik World Resources Institute. Die arme Bevölkerung leide auch nach dem Ende der Schlagzeilen weiter an einem Wassermangel. “Für viele von ihnen ist jeder Tag Day Zero.”

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Dieser Text erschien zuerst in Edition Zukunft von Der Standard, dem Online-Magazin über das Leben und die Welt von morgen.

Bild: imago images / ZUMA Press

Die IT-Metropole Bangalore in Indien ist eine der Städte, in denen es in den letzten Jahren immer wieder zu einem Wassermangel gekommen ist. Besonders betroffen ist die arme Bevölkerung, die auf staatliche Hilfe angewiesen ist.

Jakob Pallinger, Der Standard

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