US-Wahlen

Gewinnt das Klima, wenn Trump verliert?

Einen Tag nach den Wahlen verlassen die USA offiziell das Pariser Abkommen. Ohne sie ist der Kampf gegen die Klimakrise kaum zu gewinnen. Eine neue Regierung muss schnell handeln. 

Paris, UN-Klimakonferenz: Bis heute hält die Hoffnung. Im Jahr 2015 rang die internationale Gemeinschaft um Einigkeit: Es galt, die Klimakrise zu bekämpfen. Die Verhandlungen waren zäh, schließlich einigten sich 197 Staaten auf die erste weltweite Klimaschutz-Vereinbarung: das Pariser Klimaabkommen. Sowohl China als auch die USA stimmten zu, ein Meilenstein. Am 4. November 2016 trat das Abkommen in Kraft.

Doch der Optimismus von damals schwindet. Die Welt hat die fünf heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erlebt. In vielen Staaten scheitern die Versprechen an der Realität – besonders in den USA. Präsident Donald Trump leugnete nicht nur den menschengemachten Klimawandel oder bezweifelte dessen Ausmaß und tat wissenschaftlich Erkenntnisse ab – er wird das Land auch aus dem Klimaabkommen führen: zu teuer, unfair, ein Wettbewerbsnachteil. Der vor drei Jahren begonnene Austritt wird am 4. November wirksam. Das Datum liegt genau einen Tag nach den Präsidentschaftswahlen.

Ein Austritt der USA hätte globale Folgen, sagt der Klimaforscher Niklas Höhne, der den „Climate Action Tracker“ (CAT)  mitverantwortet: „Die USA sind der zweitgrößte Emittent und eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt. Wenn so ein Player nicht dabei ist, dann wird es für die anderen schwierig.“

Hat der Kampf gegen die Klimakrise also nur dann noch eine Chance, wenn Trump diese Wahl verliert?

Wie viele Klimaforschende hofft Höhne auf einen Sieg Joe Bidens. Der demokratische Präsidentschaftskandidat und ehemalige Vizepräsident unter Barack Obama hat angekündigt: Er will die USA im Januar zurück in das Pariser Abkommen führen.

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Das Papier dieses völkerrechtlichen Vertrags allein kann steigende Temperaturen und daraus resultierende Dürren, Stürme und Überschwemmungen nicht verhindern – die Versprechen müssen national umgesetzt werden. Der wichtigste Hebel: Der Ausstoß von Treibhausgasen – allen voran Kohlenstoffdioxid – muss reduziert werden.

Auch bei Good Impact: Gastbeitrag: Warum wir ein Ministerium für Klimaschutz brauchen

Unzureichende US-Klimaschutzziele

Doch gerade die USA, die historisch gesehen größten Verschmutzer der Atmosphäre, produzieren viel zu viel Treibhausgase, nach China weltweit am meisten. Auch sonst hinken sie hinter den global vereinbarten Zielen hinterher. Für das Jahr 2020 schätzen CAT-Expert*innen zwar, dass die USA ihre selbstgesteckten Ziele erreichen werden: Die Gesamtemissionen dürften im Vergleich zu 2005 um 20 bis 21 Prozent sinken. Doch das liegt vor allem an den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Ohnehin bewerten die Forschenden die unter Obama national festgelegten Klimaziele der USA, nämlich die Emissionen bis 2025 um 26 bis 28 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken, als „unzureichend“. Sie wären nicht mit einer Erderwärmung auf unter 2 Grad zu vereinbaren, geschweige denn mit einer unter 1,5 Grad.

Seit Trump haben sich die Prognosen verschlechtert. „Wir haben jetzt vier Jahre verloren“, sagt Höhne. „Die Trump-Regierung hat eine Rolle rückwärts in der Klimapolitik hingelegt. Ihre Politik lautet: kein Klimaschutz, fossile Energieträger stärken, neue Ölgebiete freigeben, Umweltregulierungen zurückfahren.“ Etwa 100 solcher Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen will Trump revidieren, bei 70 davon hat er es bereits erfolgreich getan, zählte die New York Times Mitte Juli, ausgehend von Untersuchungen der Harvard Law School und der Columbia Law School. Sie reichen von Emissionswerten von Kraftwerken bis hin zur Energieeffizienz von Glühbirnen.

Die anstehenden Wahlen sind also auch eine Entscheidung für oder gegen Klimaschutz. Das sieht auch eine Mehrheit in der Bevölkerung so. Das Pew-Meinungsforschungszentrum befragte zwischen Ende April und Anfang Mai knapp 11 000 Teilnehmende: Zwei Drittel sagten, die Regierung unternehme zu wenig gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Doch die Umfrage zeigt auch, wie hart auch bei diesem Thema die Parteigrenzen verlaufen: Während knapp 90 Prozent der Wähler*innen und Sympathisant*innen der Demokratischen Partei finden, die Regierung unternehme zu wenig, sehen nur 35 Prozent der Republikaner*innen dies so. Und lediglich 22 Prozent von ihnen stimmen der Aussage zu, dass der Klimawandel zum größten Teil menschengemacht ist. Bei den Unterstützer*innen der Demokratischen Partei sind es hingegen 72 Prozent.

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Ein Sieg Joe Bidens als Hoffnung?

Mitte Juli stellte Joe Biden seine Klimaschutzpläne in Höhe von zwei Billionen US-Dollar vor: Spätestens 2050 soll die gesamte Wirtschaft klimaneutral werden, bereits in 15 Jahren verspricht er einen CO2-freien Stromsektor – 2019 entfielen darauf laut Energy Information Administration (EIA) knapp ein Drittel aller energiebezogenen CO2-Emissionen. Neben sauberer Energie setzt sein Plan auf grüne Jobs und verknüpft Investitionen mit Klimaschutzmaßnahmen. Das soll nicht nur die Klimakrise, sondern auch die aktuelle Wirtschaftskrise bekämpfen. Wie weit er diesen ambitionierten Plan umsetzen könnte, hängt auch davon ab, wie die Wahlen zum Senat für die Demokratische Partei ausgehen, die zeitgleich zur Präsidentschaftswahl stattfinden. Doch der Plan setzt ein Zeichen, Biden will retten, was in den vergangenen vier Jahre zunichte gemacht wurde. „Wenn Donald Trump an den Klimawandel denkt, fällt ihm dazu nur das Wort Schwindel ein“, sagte Biden. „Wenn ich an den Klimawandel denke, denke ich an Jobs – gut bezahlte Gewerkschaftsjobs.“ Donald Trump hingegen nannte Bidens Pläne Mitte Juli in einer Pressekonferenz im Weißen Haus einen „Kreuzzug der Linken“ gegen den amerikanischen Energiesektor, der zahlreiche Arbeitsplätze zerstören würde.

Doch wichtige Industriegewerkschaften glauben Bidens Versprechen. Auch viele Umweltschutzgruppen wie die Sunrise Bewegung unterstützen ihn grundsätzlich. Das liegt mit daran, dass Biden in seine Pläne nicht nur Umweltschützer*innen, sondern zudem profilierte Parteilinke – allen voran Bernie Sanders, aber auch die aufstrebende Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez – miteinbezogen hatte. Entsprechend setzen die Demokrat*innen auch auf Klima- und Umweltgerechtigkeit. Bidens Plan: 40 Prozent der Investitionen sollen ärmeren, indigenen und oft von Rassismus betroffenen Bevölkerungsgruppen zuteil werden. Menschen also, die meist am stärksten unter Klimawandelfolgen und Umweltverschmutzung leiden. Im Justizministerium soll eine eigene Abteilung für Umwelt- und Klimagerechtigkeit entstehen. Cecilia Martinez, Mitgründerin des Center for Earth, Energy and Democracy, konnte Biden beraten und nennt den Plan gegenüber der Washington Post „den innovativsten und mutigsten Plan in einer Präsidentschaftskampagne, den wir unter dem Gesichtspunkt der Umweltgerechtigkeit gesehen haben“. Und Klimaforscher Höhne sagt: „Biden hat einen sehr ambitionierten Klimaschutzplan vorgelegt. Das ist ambitionierter als alles, was in Europa derzeit diskutiert wird.“

Auch die Entscheidung für Kamala Harris als Bidens Vizepräsidentin findet Unterstützung bei großen Umweltschutzorganisationen wie etwa dem Sierra Club und den Friends of the Earth. Denn Harris hat sich als Staatsanwältin und Generalstaatsanwältin in Kalifornien etwa beim Einsatz gegen industrielle Umweltverschmutzung profiliert. Anfang August veröffentlichte sie außerdem mit der demokratischen Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez einen viel bejubelten Gesetzesvorschlag für Klimagerechtigkeit (Climate Equity Act). „Es reicht nicht aus, nur die Emissionen zu senken und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden. Wir müssen auch sicherstellen, dass wir nicht diejenigen Gemeinden zurücklassen, die bereits mit unsicherem Trinkwasser, giftiger Luft und mangelnden wirtschaftlichen Möglichkeiten zu kämpfen haben“, erklärte Harris. Passend zu den Plänen Bidens solle demnach ein unabhängiges Amt für Klima- und Umweltgerechtigkeit im Weißen Haus entstehen und die Regierung müsste jede Entscheidung über Klima- und Umweltschutzfragen daran messen, welche Auswirkungen sie auf besonders betroffene Communitys – also Geringverdienende, Indigene, People of Color – hätte.

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Klimaschutz in den USA: Bundesstaaten und Städte als Vorreiter

In San Francisco gibt es, auch dank Harris, ein ähnliches Amt bereits. Ohnehin macht ein Blick in US-Städte und -Bundesstaaten Hoffnung. Denn in den föderal aufgebauten USA liegt viel Macht jenseits von Washington, D.C., 80 Prozent der Menschen leben in Städten. Manche davon, viele in Kalifornien, nutzen schon jetzt vollständig grünen Strom. Und auch einige Bundesstaaten haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2045 soll etwa in Kalifornien, Virginia und Washington State die Stromversorgung vollständig CO2-frei sein. Im Staat New York soll der ganze Sektor sogar schon fünf Jahre früher keinerlei Treibhausgase mehr verursachen, Hawaii strebt dies bis 2040 für die gesamte Wirtschaft an.

Doch auch hier gefährdet die Trump-Präsidentschaft manchen grünen Fortschritt. Kalifornien und weitere Staaten wie Connecticut, Maryland und Massachusetts, die etwa ein Drittel des US-Automobil-Marktes ausmachen, können ihre eigenen, höheren Abgasgrenzwerte für Fahrzeuge festlegen. Im vergangenen Jahr versuchte Trump das zu verbieten, nun liegt die Entscheidung bei den Gerichten. Doch einige Hersteller haben bereits eine freiwillige Vereinbarung mit dem dabei führenden Staat Kalifornien unterschrieben. Dieser Kompromiss erlaubt zwar höhere Emissionswerte als zuvor – liegt aber immer noch unter den nationalen Abgasgrenzwerten.

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Und auch Trumps Versuch, den dreckigen Kohlestrom wiederzubeleben, fruchtet nicht ganz. Denn, so erklärt Klimaforscher Höhne: „Die Realität sieht einfach anders aus. Die Regierung Trump hat überhaupt nicht die Macht, Kohle am Leben zu halten, weil sie unökonomisch ist – auch in den USA. Kohlekraftwerke sind auch unter Trump pleite gegangen, mehr abgeschaltet worden als je zuvor. Gleichzeitig wurden mehr erneuerbare Energien, Wind und Solar, hinzugebaut.“ Im Jahr 2019 etwa sank die Energie aus Kohlestrom um 7 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018 – und damit auf das niedrigsten Niveau seit Mitte der 60er –, das zeigen Zahlen der EIA, die Teil des Energieministeriums ist. 2020 könnten, getrieben durch die Coronakrise, sogar knapp um die 30 Prozent weniger Kohle verbraucht werden. Im Gegenzug wird ein Anstieg von Solarenergie und Windkraft auf 20 Prozent (von 17 Prozent im Jahr 2019) erwartet. Expert*innen des „Climate Action Tracker“ vermuten jedoch, dass die Coronakrise Investitionen in erneuerbare Technologien hemmen könnte.

Klimaschutz in den USA: Noch ist es nicht zu spät

Derlei Prognosen könnten sich verbessern, wenn eine Regierung unter Biden erfolgreich in erneuerbare Energien investiert. Es steht also viel auf dem Spiel bei diesen Wahlen – sowohl national als auch international. Ohne die USA wird es für den Rest der Welt schwieriger, der Erderwärmung etwas entgegenzusetzen. Sue Biniaz, frühere Anwältin des US-Außenministeriums, die Teile des Pariser Abkommens entworfen hatte, sagte im Guardian: „In den ersten vier Jahren unter Trump war es einfacher zu sagen, dass es wahrscheinlich eine Verirrung ist, eine kurzfristige Abweichung, aber falls es acht Jahre werden, ist es schwieriger, die Koalition der Nationen, die sich darum bemühen, zusammenzuhalten.“ Ähnlich sieht das Klimaforscher Höhne: Er hofft darauf, dass die USA zurückkehren und neue Klimaschutzpläne vorlegen: „Dann würden auch andere automatisch nachziehen, das wäre eine ganz andere Politik. Es wäre hervorragend für das Klima.“

Dieser Text ist Teil des Schwerpunktes „Vereinigt die Vielfalt“ der neuen Ausgabe, die am 04. September 2020 erschienen ist

Illustration: Dorothea Pluto

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