Anti-Wilderei-Projekt in Simbabwe

Mütter der Wildtiere

Das Akashinga-Projekt schult marginalisierte Frauen als Rangerinnen. Der Kampf gegen Wilderei gibt ihnen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.

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In militärischen Uniformen streifen die Akashinga-Rangerinnen durch das hohe Gras der Savanne Simbawes. Sie tragen schwere Stiefel und Gewehre über den Schultern. Diese Bilder gehen um die Welt. Denn Akashinga ist Simbabwes erste Anti-Wilderei-Einheit, die nur aus Frauen besteht. Und noch etwas ist besonders: Alle Mahlzeiten der Rangerinnen sind vegan.

Das khakigrüne Hemd ihrer Uniform hat Nyaradzo Hoto an diesem Nachmittag gegen ein sandfarbenes T-Shirt getauscht. Sie sitzt unter einem Baum im Schatten. Per Video erzählt sie mit Kopfhörern im Ohr von ihrer Arbeit als Rangerin im Sambesi-Tal im Norden Simbabwes. Trotz der wackeligen Internetverbindung erkennt man im Hintergrund den beigen Stoff der Zelte des Camps. Bei Akashinga hat Hoto ihre Liebe zu den Tieren entdeckt. „Wir müssen sie schützen“, sagt sie. „Wir sind die Mütter der Wildtiere.“

Das Wort Akashinga stammt aus der Bantusprache Shona und bedeutet „die Tapferen“. Damien Mander, ein Australier mit vielen Tattoos und breiten Schultern, gründete die Anti-Wilderei-Einheit 2017. Sie ist Teil der Internationalen Anti-Poaching Foundation (IAPF), die sich gegen die illegale Jagd von Wildtieren einsetzt und die er bereits 2009 ins Leben rief. „Wir wollten den marginalisiertesten Frauen in den Gemeinden eine Chance geben: den Überlebenden schwerer sexueller Übergriffe oder häuslicher Gewalt, den Aids-Waisen, alleinerziehenden Müttern und verlassenen Ehefrauen.“ Bekommen hat der ehemalige Minentaucher und Elitesoldat die Tapfersten – Akashinga.

Nyaradzo Hoto ist stolz darauf, Teil der Anti-Wilderei-Einheit zu sein. Foto: Anti-Poaching Foundation

Respekt für Frauen

Auch Nyaradzo Hotos Leben war nicht einfach, bevor sie 2017 zu den Rangerinnen kam. Als Kind armer Eltern war sie gezwungen, die Schule abzubrechen und früh zu heiraten. „Leider war meine Ehe nicht erfolgreich.“ Nach ihrer Scheidung kehrte sie mit ihrer Tochter Tariro zurück ins Haus ihrer Eltern. Dann starb ihr Vater. Hoto wurde zur Alleinverdienerin. „Ich habe Gemüse angebaut und verkauft, um uns zu ernähren und meine kleinen Brüder zur Schule zu schicken“, sagt die 29-Jährige. Die Ausbildung zur Rangerin war für sie nicht nur eine Möglichkeit, ihre Familie finanziell zu unterstützen. „Ich habe gespürt, dass Frauen hier die Chance haben, etwas Großes zu erreichen in einem Bereich, der bis dahin vor allem Männern vorbehalten war“, sagt sie. „Das hat mich motiviert, eine Akashinga-Rangerin zu werden.“ Tatsächlich, so hat es der Gründer der Organisation beobachtet, trägt die Arbeit der Rangerinnen dazu bei, das soziale Gefüge in den traditionell patriarchal-geprägten Gemeinschaften zu verändern: „Junge Männer sehen Frauen anders an. Mit Respekt.“

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Durch die Arbeit können die Rangerinnen ihre Kinder ernähren. Foto: Adrian Steirn

Akashinga ist nicht nur eine Chance für die Frauen – auch Simbabwes Wildtiere könnten von ihren neuen Beschützerinnen profitieren. Aus Angst vor Korruption wurden männliche Ranger bisher meist weit weg von ihrer Heimat eingesetzt. Sie sollten nicht von Menschen beeinflusst werden, mit denen sie aufgewachsen sind. Die meisten Rangerinnen stammen dagegen aus den Dörfern rund um die Akashinga-Camps. Einen Korruptionsfall habe es bisher nicht gegeben, so die IAPF. Dass die Rangerinnen tief verwurzelt und gut vernetzt sind in den Gemeinden, ist sogar ein großer Vorteil: Fast immer sind die Ermittler:innen auf Informant:innen und Zeug:innen aus der Bevölkerung angewiesen. „Es ist viel einfacher, einen Anruf von jemandem aus der Gemeinde zu erhalten und so zu erfahren, wo es ein Problem gibt, als etliche Hektar Wildnis abzulaufen und zu hoffen, dass man dabei zufällig auf ein Problem stößt“, sagt Mander. Deshalb wolle er die Dorfbewohner:innen in den Naturschutz miteinbeziehen und ihnen vermitteln, wie wichtig es ist, Simbabwes Wildtiere zu schützen.

Auch bei Good Impact: Projekt gegen Wilderei: Die Retter:innen der Schuppentiere

Auf Patrouille gegen Wilderei

Je fünf Rangerinnen patrouillieren täglich, gehen Hinweisen nach, verfolgen die Fährten der Wilderer:innen und führen nächtliche Razzien durch. Finden sie genug Beweise, übergeben sie Verdächtige an die nächste Polizeistation. Nach Angaben der IAPF haben die Frauen seit 2017 mehr als 300 Verhaftungen durchgeführt. Der Job der 95 Akashinga-Rangerinnen hat es in sich. Nicht nur die bewaffneten und mitunter skrupellosen Wilderer:innen können den Frauen gefährlich werden, sondern auch die Tiere, die sie mit ihrer Arbeit schützen. Angst hat Rangerin Hoto trotzdem nicht, denn sie sei vorbereitet: In einer fünfmonatigen Ausbildung lernte sie zu schießen, übte sich im Nahkampf und absolvierte ein toughes Ausdauertraining.

In der Savanne liegen die Rangerinnen auf der Lauer und halten Ausschau nach Wilderer:innen. Foto: Adrian Steirn

Die Wilderei betrifft in Simbabwe nicht nur Nashörner und Elefanten, die wegen ihrer Hörner und Stoßzähne eine lukrative Beute abgeben, sondern auch kleinere Antilopen und Büffel. Die werden aber nicht für den Weltmarkt, sondern für den heimischen Kochtopf erlegt. Die Coronapandemie habe die Situation weiter verschärft, sagt Hoto: „Viele Menschen haben ihren Job verloren und sehen nun einen letzten Ausweg in der Wilderei.“

Tierfreundliche Ernährung

Die Wildhüterinnen selbst verzichten auf Fleisch – sie ernähren sich vegan. Für das, was bei den Akashinga-Rangerinnen auf den Tellern landet, ist Nicola Kagoro verantwortlich. Die Köchin, die auf den sozialen Medien unter dem Namen Chef Cola bekannt ist, hat zusammen mit Mander und der Nonprofit-Organisation VegFund International die Back to Black Roots Kitchen gegründet. Mit ihrem Team von zehn Köch:innen versorgt sie die Rangerinnen mit drei veganen Mahlzeiten täglich. „Unser Name soll zeigen, dass wir glauben, dass Veganismus seine Wurzeln in Afrika hat und wir durch koloniale Praktiken unser Erbe verloren haben“, erklärt die Köchin. „Jetzt kehren wir zu unseren Wurzeln zurück.“

Neben solchen politischen und moralischen Gründen habe die vegane Ernährung auch praktische Vorteile: In den ländlichen Regionen Simbabwes sind Wasser und Strom nicht leicht zu bekommen. „Die meisten Menschen haben keine Kühlschränke, um Lebensmittel zu lagern, und ernähren sich deshalb bereits vorrangig pflanzlich“, sagt Kagoro. Fleisch werde daher mit Wohlstand gleichgesetzt und habe einen hohen Stellenwert. Auch den Rangerinnen ist die Ernährungsumstellung anfangs schwergefallen. Das Problem war aber nicht nur das fehlende Fleisch: „Wir haben Nahrungsmittel benutzt, an die die Frauen nicht gewöhnt waren, wie zum Beispiel Schwarzaugenerbsen, die in anderen Teilen Afrikas gegessen werden, nicht aber in Simbabwe.“ Chef Kola reagierte auf den Geschmack der Rangerinnen und verwendet heute nur noch heimische Lebensmittel – die Schwarzaugenerbsen hat sie etwa durch Schälerbsen ersetzt. Pasta mit Spinat oder Kartoffelgerichte kommen bei den Rangerinnen besonders gut an. Rangerin Hoto sagt, sie habe sich mittlerweile an die vegane Ernährung gewöhnt. Es sei gut, wenn die Tiere, die sie als Rangerin beschützt, später nicht auf ihrem Teller landen. Außerdem habe die pflanzliche Kost noch einen weiteren Vorteil: „Ich sehe seitdem viel jünger aus“, sagt sie und lacht.

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Hoto brennt für ihre Arbeit bei Akashinga. Zukünftig möchte sie Simbabwes Tierwelt aber nicht mehr nur als Rangerin schützen, sondern auch als Ökologin. Dank Akashinga kann sie, nachdem sie die Schule früh abbrechen musste, ihre Ausbildung nun fortsetzen. Neben ihrer Arbeit als Wildhüterin studiert sie mittlerweile Wildlife, Ecology und Conservation an der Technischen Universtität Chinhoyi in Nordsimbabwe.

Foto: Adrian Steirn

Die Rangerinnen patrouillieren in der Savanne und verfolgen die Fährten von Wilderer:innen. Um sich vor Gefahren zu schützen, lernen die Frauen auch Schießen und Nahkampf.

Theresa Lang

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