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Warum wir mehr umweltverträgliche Medikamente brauchen

Vom Zipperlein bis zur lebensbedrohlichen Erkrankung – Arzneimittel sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Doch immer mehr Wirkstoffe gelangen in die Umwelt, mit ungewissen Folgen für Gewässer und Lebewesen.

Bei Kopfschmerz hilft eine Tablette, der gezerrte Muskel wird mit einer Salbe besänftigt und die Infektion bekämpft ein Antibiotikum. Doch der schnelle Griff zum Arzneimittel hat ein langwieriges Nachspiel. Viele Wirkstoffe werden in unserem Körper nur unvollständig oder gar nicht abgebaut. Das heißt, früher oder später landen sie beim Toilettengang in der Kanalisation. Und von dort, weil die kommunalen Kläranlagen für Arzneimittel kaum eine Barriere darstellen, finden sie ihren Weg in die Flüsse.

Immer mehr Wirkstoffe beziehungsweise ihre Abbauprodukte sind deutschlandweit in Gewässern nachweisbar. Eine aktuelle Auswertung des Umweltbundesamtes beziffert sie auf 270. Für Menschen sind die Substanzen nicht gesundheitsgefährdend, ihre Konzentration liegt unterhalb therapeutischer Dosen. Trotzdem birgt es Gefahren, wenn Arzneimittelrückständezunehmend in die Umwelt gelangen. Für Organismen, die im oder am Wasser leben, können selbst geringe Konzentrationen von Substanzen wirksam sein. Psychopharmaka lösen zum Beispiel bei Tieren Verhaltensänderungen aus: Wasserspinnen sind nicht mehr in der Lage, ordentliche Netze zu bauen, Schwarmfische entfernen sich aus der Gruppe und werden so zur leichten Beute von Fressfeinden. Zudem ist nicht bekannt, wie sich die Wirkstoffe in der Nahrungskette ansammeln. Vielleicht landen sie am Ende so wieder beim Menschen. Antibiotika im Wasser können auch zu Resistenzen in Bakterien führen.

Ein weiteres Problem: Die Lage ist unübersichtlich. In Deutschland sind in der Human- und Veterinärmedizin etwa 3000 Wirkstoffe zugelassen. Welche Wirkstoffkombinationen in Gewässern vorkommen und wie diese miteinander reagieren, ist nicht abzuschätzen. Hinzu kommen diverse Abbauprodukte, die eine andere Wirkung als das Ausgangsmolekül zeigen können. Das macht den Chemiecocktail in den Flüssen unberechenbar. Und zwar dauerhaft. Denn viele der Substanzen sind schwer abbaubar. Das Umweltbundesamt geht in einer aktuellen Auswertung von etwa 1270 umweltrelevanten Humanarzneimittelwirkstoffen aus, im Veterinärbereich sind es 280.

Arzneimittel richtig entsorgen

Einige Apotheken nehmen freiwillig Altarzneimittel zurück. Doch grundsätzlich müssen sich Arzneimittelkonsument*innen selbst um die Entsorgung der Medikamente kümmern. Müllentsorgung ist Aufgabe der Kommunen. Meist wird der Hausmüll verbrannt. Wo das so ist, können Medikamente in den Restmüll geworfen werden. Bei der Verbrennung werden biologisch aktive Wirkstoffe zerstört. Altmedikamente können auch in Schadstoffsammelstellen abgegeben werden. Nähere Informationen zur richtigen Entsorgung in den Regionen gibt es unter arzneimittelentsorgung.de.

Arzneimittel: Langlebig in der Umwelt

„Wir müssen Stoffe von vornherein so designen, dass sie in der Umwelt schnell und vollständig abbaubar sind“, sagt Klaus Kümmerer, Professor für Nachhaltige Chemie und Stoffliche Ressourcen an der Leuphana Universität Lüneburg. Der …

imago images / MiS

Wirkstoffe aus Arzneimitteln können auch recycelt werden.

Aileen Hohnstein

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