„Es hilft mir zu wissen: Ich bin nicht alleine in dieser Situation, fast der ganzen Welt geht es so”
Namibia, Windhoek, Melkies Ausiku, 29, Gründer des Transport-Start-ups Lefa: „2020 sollte eigentlich mein Jahr des Durchbruchs werden, mein Jahr des Erfolgs: Mein Start-up sollte sich in ein vollwertiges Unternehmen verwandeln. So versprachen es die Zahlen und Zahlen lügen nicht, heißt es. Als ich anfangs täglich in den Nachrichten sah, wie hart Covid-19 China, Italien und andere Länder in der nördlichen Hemisphäre traf, dämmerte es mir zunächst nicht, dass dieses Virus auch bald unser Leben hier in Namibia komplett verändern sollte.
Der Tag, als die Gesundheitsbehörden die zwei ersten Fälle in Namibia meldeten, traf mich wie ein Schock. Umgehend beschloss ich, meine Angestellten erst einmal nach Hause zu schicken. Eine Woche später verkündete unsere Regierung einen dreiwöchigen landesweiten Lockdown. Die Auswirkungen auf mein Start-up kamen prompt: Absätze und Umsätze fielen um 80 Prozent. Denn die meisten unserer Kunden sind Touristen aus europäischen Ländern, die mittlerweile Reisebeschränkungen und -verbote verhängt haben. Das hat für alle Unternehmen in der Tourismusbranche zu Verlusten geführt. Das Kerngeschäft meines Start-ups ist eigentlich der Transport von Passagieren, jetzt liefern wir hingegen Güter, Essen und kleinere Pakete. Meine Fahrer und ich sind dankbar für diese neuen, wenn auch viel niedrigeren, Einnahmequellen.
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Ich bin eigentlich ein Mensch, der sehr gerne draußen unterwegs ist. Ich liebe soziale Aktivitäten, genieße es, im Land herumzukommen und viel zu networken. Die strengen Lockdown-Regelungen der Regierung haben mir nun die Möglichkeit dazu genommen. Es hilft mir zu wissen : Ich bin nicht alleine in dieser Situation, fast der ganzen Welt geht es so. Außerdem habe ich ein Dach über dem Kopf, habe Kleidung und genug zu essen – viele andere haben diese Privilegien nicht.
Einige Namibier finden, dass die 16 bestätigten Covid-19-Fälle den landesweiten Lockdown, der unserer Wirtschaft schadet, nicht rechtfertigen. Mit Blick auf unser öffentliches Gesundheitssystem, das schlechter aufgestellt ist, als anderswo, bin ich hingegen der Meinung: Je schneller wir diesen Virus eindämmen, umso besser. Dazu müssen wir Einschränkungen und große Verluste in Kauf nehmen – insbesondere wirtschaftlich und vor allem in der Tourismusbranche. Etliche Menschen könnten ihren Job verlieren und die ohnehin schon sehr hohen Arbeitslosenzahlen würden weiter steigen. Doch die Regierung hat große Anstrengungen unternommen, Unternehmen mit Finanzhilfen und Kreditprogrammen zu retten. Außerdem gibt es sowohl staatliche als auch private Initiativen, um Bedürftige mit Essenspaketen zu versorgen. All das stimmt mich positiv und lässt mich hoffen: Namibia wird als bessere Nation aus dieser Krise gehen.“
In Namibia gibt es bisher laut der Johns Hopkins Universität 16 Fälle von Menschen, die mit dem Corona-Virus infiziert sind, und noch keinen Todesfall. (Stand 29. April).
Globaler Alltag in der Pandemie: „Ich kümmere mich viel besser um mich selbst“
Libanon, Beirut, Sami Sayegh, 26, Unternehmer: „Die große Mehrheit der Libanesen hat sich früh entschlossen, zuhause zu bleiben und ihre Kontakte stark zu reduzieren. Manche sagen, weil sie Angst hatten, aber ich nehme es so wahr, dass die meisten aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber den anderen zuhause bleiben: Die Libanesen sind solidarisch. In unserem Land herrscht seit Oktober eine Revolution und wir befanden uns schon vor Corona in einer Wirtschaftskrise. Unser Gesundheitssystem ist sehr schlecht.
Als der Lockdown im Libanon verkündet wurde, sah ich das als Chance, meinen Alltag zu reflektieren. Normalerweise sorgen die langen Arbeitsstunden des Tages dafür, dass wir danach einfach nur nach Hause wollen, um uns zu entspannen. Wir nehme uns keine Zeit für unsere Leidenschaften und Projekte. Doch jetzt übe ich Gitarre und lerne Songs, die ich immer schon mal spielen wollte. Ich mache Home-Workouts und organisiere meine Zeit besser. Auch für die Arbeit strenge ich mich mehr an als sonst. Kurz gesagt: Ich kümmere mich viel besser um mich selbst. Man sollte nicht so tun, als wäre die aktuelle Situation gut, aber man muss immer die positive Seite der Dinge sehen. Und positiv ist für mich auch, dass wir durch die Isolation verstehen, dass wir Mutter Natur in den letzten Jahrzehnten schrecklich behandelt haben und dass wir damit nun aufhören müssen.“
Im Libanon gibt es bisher laut der Johns Hopkins Universität 721 Fälle von Menschen, die mit dem Corona-Virus infiziert sind, und 24 Todesfälle. (Stand 29. April).
„Man hat das Gefühl man lebt in einer Parallelwelt”
Spanien, Madrid, Marijke, 32, selbstständige Kommunikationsdesignerin
Ich bin 2018 von Berlin nach Madrid gezogen und arbeite seitdem selbstständig als Kommunikationsdesignerin für Kunden aus Deutschland und Spanien. Seit Mitte März gibt es in Spanien eine Ausgangssperre – wir dürfen lediglich das Haus verlassen, um in die Apotheke oder zum Supermarkt zu gehen. Normalerweise arbeite ich von einem Co-Working-Space aus – zurzeit funktioniert es aber auch aus dem Homeoffice. Und ich bin dankbar, weiterhin an Projekten arbeiten zu können, da viele Selbstständige zur Zeit unter extremen wirtschaftlichen Einbußen leiden.
Ich vermisse es sehr, einfach mal das Haus zu verlassen, Freunde zu treffen und laufen zu gehen. Man hat das Gefühl man lebt in einer Parallelwelt: In den Krankenhäusern überschreiten die Ärzte und Krankenschwestern und Krankenpfleger täglich ihre Grenzen, Menschen sterben und du sitzt hier zu Hause und den einzigen Kontakt zur Außenwelt bekommst du durch die Medien oder Telefonaten mit Freunden und Familie. Da bekommt die Macht der Medien noch einmal ein ganz anderes Ausmaß.
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Mittlerweile ist es fast schon „komisch“, anderen Menschen im Supermarkt zu begegnen, weil man einfach keinen sozialen Kontakt mehr gewöhnt ist. Ich bin gespannt auf den ersten Morgen, wenn ich wieder in die sonst so überfüllte Metro steige. Du kannst den Menschen ansehen, dass sie besorgt sind. Meine Gefühlslage ist tagesabhängig. Ich versuche optimistisch zu bleiben – doch natürlich gibt es Tage, da fällt einem die Decke auf den Kopf. Da ich nicht joggen gehen kann, probiere ich es mit Yoga und Sport-YouTube-Videos – und die sorgen so oder so für den ein oder anderen Lacher.
Hier wird außerdem landesweit jeden Abend um 20 Uhr geklatscht – ich weiß es gibt daran Kritik, auch aus Deutschland – aber irgendwie hat es sich für mich doch zu einem Moment etabliert, der einem das Gefühl gibt, nicht alleine durch diese schwierige Zeit zu gehen.
In Spanien gibt es bisher laut der Johns Hopkins Universität 236.899 Fälle von Menschen, die mit dem Corona-Virus infiziert sind, und 24.275 Todesfälle. (Stand 29. April).
Das Corona-Virus betrifft Menschen weltweit. Die Auswirkungen unterscheiden sich jedoch von Land zu Land.