Oasen und Kamele, Pfefferminztee und Hennamuster: Marokko gilt vielen Reisenden als Inbegriff einer exotisierten Vorstellung des Orients. Eine wachsende Szene von jungen Fotograf*innen will das Narrativ über ihre Heimat, das von westlichen Stereotypen bestimmt ist, neu besetzen. Mit Instagram als internationaler Plattform interpretieren Fatimazohra Serri, Mous Lamrabat und Ismail Zaidy traditionelle Elemente ihrer Kultur neu, brechen Tabus und geben damit der nordafrikanischen Jugend eine Stimme.
Fatimazohra Serri
Eine schwarz gekleidete junge Frau mit Kopftuch liegt auf einem persischen Teppich und schlägt ihre Hände vor den Mund. Ihre Augen sind von einer blutigen Binde verdeckt. Unter dem Instagram-Bild steht: „Break the silence, stop the violence. Make art to speak for women who suffer.” Das Foto der Künstlerin Fatimazohra Serri spricht ein in Marokko heikles Tabuthema an: die Periode. Die 23-jährige Fotografin, die in einer ländlichen Region im Norden des Landes geboren wurde und mit konservativen Werten aufgewachsen ist, hatte zunächst Angst vor den Reaktionen von Freund*innen und Familie: „Zuerst waren sie überrascht und meine Arbeit war ihnen unangenehm. Sie haben es von einer jungen Frau wie mir nicht erwartet. Doch jetzt unterstützen sie mich bei jedem Schritt”, erzählt sie. „Einige religiöse Leute nennen meine Fotos unangemessen und sagen mir, dass ich das nicht tun sollte. Ich wurde oft in Kommentaren oder privaten Nachrichten beleidigt. Einmal habe ich auch von Frauen drei Tage hintereinander negative Nachrichten und Kommentare über dieses Foto bekommen, sie sagten, dass es ekelhaft sei und es keine Kunst wäre. Das tat mir weh, weil ich die Unterstützung von Frauen wirklich erwartet habe. Aber ich habe mich entschieden, all diese negativen Kommentare zu ignorieren”.
Fotografie war für Serri zunächst nur ein willkommener Ausbruch aus dem Alltag, doch nach und nach entwickelten sich ihre Fotos zu einer bewussten Stellungsnahme für Frauenrechte in Marokko. In den vergangenen Jahren wurden in dem nordafikanischen Land viele rechtliche Fortschritte für die weibliche Bevölkerung erzielt, wie zum Beispiel die Abschaffung eines Gesetzes, nach dem vergewaltigte Frauen ihren Peiniger heiraten müssen, um die Ehre der Familie zu retten (2014) oder die Legalisierung von Abtreibung (2015) – allerdings nur unter sehr strengen Bedingungen, wie etwa nach Vergewaltigung, Inzest oder Missbildung des Fötus. Immer noch leiden Frauen unter kulturellen Tabus und massiven sexistischen Diskriminierungen: Ein Mann darf mehrere Ehefrauen haben, was Frauen wiederum verwehrt bleibt. Die fehlende Gleichstellung in der Familie, Ehe und Erbschaft wird immer wieder von Aktivist*innen und Politiker*innen kritisiert.
Durch ihre Fotos will …
Mit Humor und Tabubrüchen gegen Vorurteile ankämpfen: Via Instagram zeigen junge Fotograf*innen aus Marokko ihren widersprüchlichen Alltag.