Schwerpunkt: Zukunft Baby

So funktioniert eine Drei-Eltern-Familie

Aus dem Alltag dreier Menschen, die neue Wege gehen – Teil 3: Tanja Gansen* aus Rostock hat sich für die Reproduktion im Freundes-Trio entschieden. Hier erzählt sie, warum und wie’s läuft.

„Ein Kind? Lange habe ich die Frage beiseitegeschoben, ich wusste ja: mir stehen als lesbische Frau einige Möglichkeiten offen. Samenbank nutzen oder einen guten Freund fragen zum Beispiel. Aber ich hatte nicht die passende Partnerin für den Alltag mit Kind. Und mich alleine um den Nachwuchs kümmern? Nein.

Flinn kenne ich vom Studium. Ich wusste, wie sehr er ein Kind wollte, nur war es als schwuler Mann für ihn schwieriger. Eine Leihmutterschaft im Ausland hatten er und sein Mann Martin schnell verworfen, aus ethischen Gründen. Schon oft hatte er mir von seiner Idee erzählt: eine Familie gründen mit Martin und einer Frau, die Lust hat, ein Kind zu dritt aufzuziehen. Oh Gott, dachte ich, hoffentlich fragt er mich nicht. Eines Tages tat er es doch. In der Nacht danach träumte ich davon – und es fühlte sich gut an. Ich war inzwischen auch schon 34, spürte den Druck.

Ein Jahr haben wir uns Zeit zum Kennenlernen genommen: Flinn, Martin und ich. Restaurant, Theater, mal ein Wochenende auf einem Ferienhof mit dem Freund:innenkreis der beiden. Es fühlte sich immer besser an. Hilfreich war eine Selbstanalyse per Fragebogen beim Regenbogenfamilienzentrum in Berlin: Wie stellst du dir dein Familienleben vor, wie willst du wohnen, Feste feiern, den Alltag gestalten, welche Rolle spielt Religion, welche Schule soll dein Kind besuchen, was ist dir bei der Erziehung wichtig? Als wir die Antworten verglichen, war uns endgültig klar: eine Dreierfamilie kann funktionieren.

Fehlte nur noch die Zeugung. Persönlich, intim sollte es schon sein – für uns alle drei. Anfangs haben wir ein kleines Ritual daraus gemacht, das waren fast ein bisschen heilige Momente. Den Eisprung abgepasst, dann morgens und abends versucht, einmal bei mir, einmal bei ihnen in der Wohnung: Flinn und Martin im Bad, gemütliches Licht, Musik. Dann haben sie mir das Sperma übergeben und ich habe mit einer Spritze den Rest gemacht. Nach drei Monaten war ich schwanger.

Bei der Geburt standen die beiden mit einer Flasche Champagner vor dem Kreissaal, drinnen hatte ich doch lieber eine Freundin an der Seite, zu körperlich intim war mir die Geburt. Ich hätte meine Papas gern mit im Zimmer dabei gehabt, aber das war 2020 wegen Corona verboten.

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Henri ist jetzt drei Jahre alt. Für ihn ist es selbstverständlich, zwei Väter zu haben, Papa und Vati nennt er sie. Er ist sogar ein wenig stolz darauf, wer hat schon zwei Papas? Inzwischen hat er auch eine Schwester, ein Jahr ist Sophie jetzt alt und ihr biologischer Vater ist Martin. Als die Entscheidung für Kind zwei fiel, war für uns alle klar: Er ist jetzt an der Reihe, alles andere hätte sich falsch angefühlt.

Eine Dreierfamilie ist eine wunderbare Sache, bei uns jedenfalls. Ich wohne zwei Häuser weiter, Montag, Dienstag sind die Kids bei mir, Mittwoch, Donnerstag bei den Papas, Freitag und am Wochenende wechseln wir ab. Sonntag wird gemeinsam gefrühstückt. Wenn ich mal krank bin, übernehmen die Papas oder gehen für uns einkaufen. Stehen Termine außer der Reihe an, springen wir gegenseitig ein. Wir bieten unseren Kindern Geborgenheit, Sicherheit, Routinen. Natürlich bin ich allein verantwortlich, wenn die Kinder bei mir sind, auch die Miete muss ich allein zahlen, und umgekehrt. Aber alle wichtigen Entscheidungen – Erziehung, Kita, Kinderarzt – treffen wir gemeinsam. Und jedes zweite Wochenende habe ich kinderfrei und genieße Partys, meinen Garten und unbeschwerte Zeit mit meiner neuen Partnerin. Manchmal ist die Dreierkonstellation mehr Stress, aber sie gibt auch mehr Freiheit – und macht uns glücklich.“

*Ort und Name von der Redaktion auf Wunsch der Interviewten geändert. Sie sind der Redaktion bekannt.

Illustration: Xueh Magrini Troll

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