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Reparaturbonus – ein Staubsauger geht auf Reisen

Sachsens Reparaturbonus soll verhindern, dass noch brauchbare Geräte weggeworfen werden. Funktioniert das?

Eine Woche nach Beginn meiner Recherche habe ich kein Problem weniger, dafür einen kaputten Staubsauger mehr. Dort steht er in der Ecke meines Zimmers, selbst ein wenig angestaubt, und scheint mir zuzuflüstern: du Loser. Sieben Tage lang habe ich alles versucht – repariert bekommen habe ich ihn nicht.

Un das, obwohl die Repairkultur in meinem Bundesland gerade einen Boom erlebt. Seit November 2023 bezuschusst Sachsen Reparaturen an Elektrogeräten, um unnötiges Wegwerfen zu verhindern. Vorbilder waren Österreich und Thüringen, im September folgte Berlin. Auch in Bremen soll bald ein ähnliches Programm an den Start gehen.

Das Prinzip ist denkbar simpel: Wer ein defektes Elektrogerät reparieren lässt, kann anschließend den Bonus beantragen und bekommt in Sachsen die Hälfte der Kosten erstattet. Das funktioniert ab einem Reparaturbetrag von 75 Euro. Maximal gibt es 200 Euro Zuschuss. 1,25 Millionen Euro hat der Landtag für 2024 bereitgestellt. Beantragen können den Bonus alle Menschen, die in Sachsen gemeldet sind.

Als Leipziger möchte ich dem Projekt einmal auf den Zahn fühlen. Ist der Reparaturbonus wirklich so erfolgreich, wie es viele Medienberichte und Statistiken glauben lassen?

Fest steht: Ganze 13.274 Reparaturen wurden laut Sächsischer Aufbaubank von November 2023 bis Ende Juli 2024 durch den Bonus unterstützt – und nur 67 Anträge wurden abgelehnt. Das sind etwa 350 geförderte Reparaturen pro Woche.

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EU-weites Recht auf Reparatur

Klingt schon mal gut. Der Bonus passt außerdem zum sogenannten Recht auf Reparatur, das vom Europäischen Parlament im April beschlossen und im Juli vom Europäischen Rat abgenickt wurde. Ab dem Stichtag haben die Mitgliedsländer zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationalen Gesetzen zu verankern.

Konkret heißt das: Herstellerfirmen sollen verpflichtet werden, ihre elektronischen Geräte zu vernünftigen Preisen zu reparieren. Außerdem sind Anreize vorgesehen, die das Reparieren kaputter Elektrogeräte attraktiver machen sollen. Lässt man ein Gerät innerhalb der Gewährleistungsfrist reparieren, soll sich diese etwa automatisch um ein Jahr verlängern. Ein anderes Beispiel ist der Sächsische Reparaturbonus.

Mit der Redaktion mache ich mich auf die Suche nach defekten Geräten. Easy, denken wir. Immerhin entstehen in der Europäischen Union nach Angaben der Kommission pro Jahr rund 35 Millionen Tonnen Abfall aus Produkten, die eigentlich noch brauchbar wären. So einfach ist dann aber doch nicht.

Zwar finden sich in unseren Schubladen und Abstellräumen ein kaputter Mixer, Wassersprudler und Laptop. Nur sind sie allesamt disqualifiziert für die Förderung. Mixer und Wassersprudler würden den Schwellenbetrag von 75 Euro nicht überschreiten; der Laptop sprengt den Rahmen mit Reparaturkosten in Höhe eines Neugeräts. Nach ein paar Tagen tauchen dann aber zwei Hoffnungsträger auf: der besagte Staubsauger und ein Tablet, bei dem der Akku nicht mehr richtig will. Also los!

Im Falle des Tablets zerschellt die Hoffnung bereits am ersten Tag. Per Mail habe ich mich erkundigt, ob der Tausch des Akkus förderfähig ist. Ist er nicht, werde ich belehrt. Ziel des Bonus sei nicht, funktionierende Geräte besser zu machen.

Bleibt noch der Staubsauger. Und der ist aufrichtig kaputt: Seit die Kollegin ihn mal ein paar Minuten durch den Regen getragen hat, macht das Ding keinen Mucks mehr. Wer auch immer den Reparaturbonus ersonnen hat, denke ich, hatte diesen Staubsauger im Sinn.

In einem PDF sind alle Unternehmen gelistet, die am Sächsischen Reparaturbonus teilnehmen. Leipzig alleine zählt 60. Als ich diese Liste öffne, kommen mir zum ersten Mal Zweifel daran, ob das Projekt wirklich so gelungen ist. Zwölf Seiten ist das PDF lang, doch die Kategorie Staubsauger taucht bei keinem einzigen der Leipziger Betriebe auf.

Als sich die erste Frustration gelegt hat, schaue ich noch einmal. Immerhin: Einige der Firmen geben an, Haushaltsgeräte zu reparieren. Ich greife zum Telefon. Gleich beim ersten Anruf heißt es, ja, man repariere auch Staubsauger. In zwei Wochen könne ich vorbeikommen. Bis dahin sei man ausgebucht. Das dauert mir zu lang.

Ein paar erfolglose Anrufe später ändere ich meine Strategie. Ich schnappe mir den Staubsauger, steige in die Tram und fahre zum vorletzten aussichtsreichen Unternehmen. Eine halbe Stunde später drücke ich die Tür auf, trage den Staubsauger durch einen Raum voller Waschmaschinen vor bis zum Tresen und erläutere der Chefin dasProblem. Kein Problem, sagt die, aber der Techniker ist gerade im Urlaub. Ein paar Wochen müsse ich schon warten.

Schon wieder. Trotzdem, wo ich schon mal da bin: Wie läuft’s denn mit dem Bonus? „Das Grundproblem bei dem Bonus ist, wie es immer so ist“, sagt die Geschäftsführerin: „Die hauen was raus und wissen, wir können es nicht realisieren – weil wir nicht genug Techniker haben.“

Mit „die“ ist die Sächsische Landesregierung gemeint, die den Bonus auf den Weg gebracht hat. So ähnlich habe ich es schon bei anderen Unternehmen gehört. Der Mangel an Fachkräften sei so eklatant, dass man für Wochen ausgebucht sei. Jetzt interessiert mich vor allem eines: Wird durch den Reparaturbonus überhaupt mehr repariert als zuvor?

Ja, berichtet mir eine Angestellte im selben Laden. Die Aufträge seien in die Höhe geschnellt – dadurch hätten sich aber eben auch die Wartezeiten verlängert. Für mich die erste positive Nachricht: Der Bonus scheint tatsächlich etwas zu bewegen! Langsam verstehe ich, warum der Bundesverband der Verbraucherzentrale bereits fordert, im Rahmen der neuen EU-Richtlinie einen deutschlandweiten Reparaturbonus einzuführen. Jedoch nicht nur für Elektro- und Haushaltsgeräte, sondern auch für Möbel.

Diagnose Motorschaden

Beschwingt mache ich mich auf den Weg zu einem benachbarten Laden für Handyreparaturen. „Wir haben viele Kunden, die das nutzen“, sagt der Mitarbeiter. „Gerade bei Handys stellt sich ohne den Bonus oft die Frage: Lohnt sich das oder nicht?“ Ähnliche Worte findet ein Techniker im Computerladen um die Ecke. „Wenn die Reparatur eines Displays 260 Euro kostet und das Telefon ein paar Jahre alt ist, macht sich niemand die Mühe. Kostet sie die Hälfte, ist das schon eher ’ne Sache.“

Wieder zu Hause öffne ich noch einmal die Liste der Unternehmen, die am Reparaturbonus teilnehmen. Ich schlage die letzte noch erfolgversprechende Firma nach und rufe an. Ein Mann geht ran, ich schildere ihm mein Problem. „Da ist der Motor kaputt“, klärt der Techniker mich auf und will das Modell des Staubsaugers wissen. Ich nenne ihm die Nummer, höre, wie er sie eintippt und dabei etwas vor sich hin murmelt, bis er fündig geworden ist. Etwas mehr als hundert Euro koste ein neuer Motor, sagt der Techniker. Inklusive Reparatur sei man dann bei 180 bis 190 Euro.

„Gerade bei Handys stellt sich ohne den Bonus oft die Frage: Lohnt wich das oder nicht?”
- Techniker im Repairshop

Prompt schaue ich nach, was der Staubsauger neu kosten würde. Online gibt es das Modell für knapp 90 Euro. Selbst mit dem Bonus wäre die Reparatur damit teurer als ein Neugerät.

Absurd. Und leider symptomatisch für unser lineares Wirtschaftssystem.Doch genau dieses Missverhältnis knöpft sich das EU-Recht auf Reparatur vor. So müssen Unternehmen Ersatzteile künftig günstiger anbieten. Verbraucher:innen sollen leichter an die nötigen Werkzeuge und Anleitungen kommen. Auch Bastler:innen und Repair-Cafés werden durch Richtlinien gestärkt: Etwa dürfen Hersteller unabhängige Werkstätten nicht länger daran hindern, an Ersatzteile zu kommen.

Statt Endlos PDFs, wie bei meinem Selbstversuch, will die EU außerdem eine Online-Plattform bereitstellen, die den schnellsten Weg zu passenden Werkstätten aufzeigt.

Das Wichtigste aber ist: Produkte müssen laut der neuen EU-Richtlinie künftig so designt werden, dass sie einfacher und günstiger zu reparieren sind, etwa durch den Verzicht auf Klebstoffe. Ansonsten drohen Anreize wie der Reparaturbonus in der Symptombekämpfung stecken zu bleiben.

Wenn es so weit ist, würde ich mir eventuell sogar überlegen, nach all den gebrauchten Modellen, die schon durch meine Hände gegangen sind, einmal einen neuen Staubsauger zu kaufen. Vielleicht hält der dann ja für immer.

Illustration: Shiwen Sven Wang

Produkte müssen laut der neuen EU-Richtlinie künftig so designt werden, dass sie einfacher und günstiger zu reparieren sind, etwa durch den Verzicht auf Klebstoffe.

Jakob Milzner

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