Schwimmfarn ist ein Wasserfarn, der keine Wurzeln hat, um sich am Grund festzukrallen – dafür aber wasserabweisende Blätter, die schwimmen können. Das sichert ihm den sonnigsten Platz an der Oberfläche von Süßwasser-Gewässern – gut für ihn, schlecht für die restliche Wasserflora und -fauna, die er in seinen Schatten stellt und schließlich verdrängt. Bei idealen Bedingungen kann er seine Biomasse innerhalb von zwei bis zehn Tagen verdoppeln und bedeckt so schnell die gesamte Wasseroberfläche. Diese Expansionsfreude hat ihm seinen botanischen Namen eingebrockt: Salvinia molesta – Lästiger Schwimmfarn. Doch nun könnte ein von ihm inspiriertes Gerät sein ramponiertes Image aufpolieren: Der Bionic Oil Adsorber (BOA), der Öl aus Wasser ziehen kann – indem er die wasserabweisende Blattstruktur des Schwimmfarns imitiert.
Den Grundstein dafür legte Bionik-Koryphäe Wilhelm Barthlott: Der Bonner Botaniker und Biodiversitätsforscher machte bereits in den 1970er-Jahren den sogenannten Lotuseffekt berühmt – die Fähigkeit von Lotusblättern, Wasser abzuweisen, genannt Superhydrophobie. In den 2010er-Jahren gelang es ihm und seinen Kolleg:innen aufzuschlüsseln, weshalb auch die Schwimmfarnblätter extrem wasserabweisend sind: wegen ihrer haarähnlichen mikroskopischen Struktur, den Trichomen. Diese winzigen Trichome sind zwischen 0,3 und 2,5 Millimeter lang und sehen unter dem Mikroskop aus wie kleine Löffel, die in Reih und Glied stehen, Schaufel nach oben. Doch diese Schaufeln sind hohl und haben nur einen ultradünnen Rand, wodurch sich Luftpolster zwischen den Trichomen bilden, die den Lästigen Schwimmfarn immer oben und trocken halten.
Aber warum verdrängt das Wasser nicht die Luft zwischen den Trichomen? Wegen der hohen Oberflächenspannung von Wasser. Wassermoleküle halten stark zusammen und sind nicht beweglich genug, um in die winzigen Hohlräume zwischen den Trichomen einzudringen – das Wasser perlt am Lästigen Schwimmfarn einfach ab. Im Gegensatz zu Öl mit seiner niedrigen Oberflächenspannung: Es kann in diese Hohlräume eindringen, was den Schwimmfarn nicht nur superhydrophob macht, sondern auch superolephil, also ölanziehend.
Eine haarige Sache
2019 stieß Leonie Beek als wissenschaftliche Mitarbeiterin der FHTAW Aachen in Barthlotts Team. Ihre Aufgabe: die Prinzipien der Superhydrophobie und Superolephilie in ein technisches Produkt zu übertragen, das Öl aus Wasser ziehen kann, etwa nach Ölunfällen. „Wir haben uns angeschaut, wie man die Oberflächenstruktur des Schwimmfarns abstrahieren und auf einem Textil anbringen kann“, sagt Beek. Textilien können schließlich Flüssigkeiten aufnehmen und lassen sich reinigen. „Im Wesentlichen brauchten wir eine glatte Oberfläche, von der solche Haare wie beim Schwimmfarn abstehen.“ Fündig wurde sie in sogenannten Abstandsgewirken, bei denen zwei Stoffschichten durch Garnschlingen voneinander getrennt sind – wie ein Stoffsandwich, dessen zwei Scheiben von Fäden auf Abstand gehalten werden. Das schafft die Luftpolster, die Wasser abweisen und Öl anziehen können, wie beim Schwimmfarn.
Vier Jahre lang hat Beek mit ihrem Team am Bionic Oil Adsorber getüftelt. Das Ergebnis ist nicht einfach ein entsprechendes Stück Polyesterstoff, das in ölverschmutztes Wasser gelegt und nach der Aufnahme des Öls wieder gereinigt wird. Vielmehr wird der BOA in einem Behälter verwendet, an dessen Rändern das Textil befestigt ist, sodass es ins Wasser hängt. Über Kapillarkräfte zieht das Textil das Öl aus dem Wasser, befördert es in den Behälter, wo es aus dem Stoff tropft und sich sammelt. Ein Deckel oben schützt vor Regen, und ein Gewicht am unteren Ende des Behälters hält das Ganze auch bei leichtem Wellengang stabil. Plus „eine Rückführleine, wie bei einem Hund“, lacht Beek. Fertig ist das Gerät, das im Gegensatz zu anderen Öl-Absorbern keine Gewässer beim Reinigen verschmutzt, ohne Energie auskommt sowie wiederverwendbar und skalierbar ist, weil vergleichsweise günstig in der Herstellung. Es eignet sich am besten für dünnflüssige Öle wie Diesel; Schweröle sind zu zähflüssig.
„Ein Liter Öl verteilt sich auf 10.000 Liter Wasser“, rechnet Beek vor. Gelangten bei einem Autounfall 70 Liter Diesel in einen Teich, reichten 18 BOA, um das gesamte Öl innerhalb einer Stunde aus dem Wasser zu fischen. Der Lästige Schwimmfarn würde auch funktionieren, aber danach absterben – so wie alle Pflanzen und Tiere, die mit Öl verschmutzt werden. Beek hat 2024 für den BOA den Bionik Award gewonnen, mitsamt 5.000 Euro Preisgeld. Zu wenig, um das Gerät im großen Stil herzustellen und die bisherigen chemischen und energiebetriebenen Öl-Absorber zu ersetzen. Nun sucht das Team nach Investor:innen.
Der Bionic Oil Adsorber (BOA) nutzt das Prinzip der Blattstruktur des Lästigen Schwimmfarns (li.), um Öl aus Wasser zu filtern.