Karierte Röcke sind eine ernste Angelegenheit in Schottland. Im frühen 18. Jahrhundert wurden sie zum modischen Must-have für die Männer der Highlands und damit zum Symbol der schottischen Unabhängigkeitsbewegung. Nach dem gescheiterten Jakobitenaufstand 1745 verbot Großbritannien das Tragen des auf Englisch Tartan genannten Karostoffs.
In der Zeit davor trübte ein anderes dunkles Ereignis das Land: die Hexenverfolgung. Zwischen 1563 und 1736 wurden in Schottland mehr als 4.000 Menschen wegen Hexerei angeklagt, etwa die Hälfte von ihnen wurde hingerichtet. Damit hatte Schottland nach Angaben der Wissenschaftsakademie Royal Society of Edinburgh pro Kopf eine der höchsten Hexenmord-Raten Europas. Obwohl auch Männer und Kinder der Hexerei beschuldigt wurden, waren mit Abstand die meisten Opfer Frauen. Unter ihnen die Hebamme Margaret Bane, die auf den Scheiterhaufen geführt wurde, weil sie die Schmerzen einer gebärenden Frau auf einen Mann übertragen und ihn so getötet haben sollte. Auch Sex mit dem Teufel war ein beliebter Anklagepunkt.
Was hat das mit Schottenröcken zu tun? Um den Opfern der Hexenverfolgung zu gedenken, haben die Schottinnen Claire Mitchell und Zoe Venditozzi die Kampagne „Witches of Scotland“ ins Leben gerufen. Ihre Ziele: die posthume Begnadigung der Opfer, eine offizielle Entschuldigung und ein nationales Denkmal. 2022 erreichten sie ein Ziel: Nicola Sturgeon, damals Regierungsoberhaupt Schottlands, und die Church of Scotland entschuldigten sich offiziell.
Das reichte den Witches nicht. Im Februar 2025 meldeten sie beim offiziellen Tartan-Register der Regierung ein eigens entworfenes Schottenkaro an, um der Hexen zu gedenken: schwarz und grau für die dunkle Zeit und die Asche der Verbrannten, rot für ihr Blut und pink für die Farbe der Bänder, mit denen Gerichtsakten damals zusammengebunden wurden. Der eigentlich Männern vorbehaltene Kilt wird zum Schott:innenrock.
In Deutschland, wo viel mehr Hexen hingerichtet wurden als in Schottland, haben wir nicht mal ansatzweise eine so stylische Erinnerungskultur, dafür stehen im ganzen Land zahlreiche Gedenktafeln. Ach, könnte man jetzt sagen, Hexenverfolgung ist doch schon so lange her! Leider nein. 2020 rief die katholische Organisation Missio am 10. August den ersten Internationalen Tag gegen Hexenwahn aus, um darauf aufmerksam zu machen, dass weltweit in mehr als 45 Ländern immer noch Hunderte Menschen im Jahr wegen Hexerei gefoltert und ermordet werden. Seitdem wird jährlich an diesem Tag der Hexenverfolgung gedacht. Meistens sind nach wie vor Frauen die Opfer, in Tansania dagegen Menschen, die mit Albinismus geboren werden, also extrem helle, oft weiße Haut und Haare und eine helle Iris haben. In Indien wurde im März 2025 eine Frau von ihren Enkeln wegen Hexerei ermordet. Diese Fälle gibt es überall. Es braucht nach wie vor Bewusstsein für das Thema. Der Rock der „Witches of Scotland“ erinnert daran besonders charmant.
Ein Muster gegen das Vergessen: das eigens entworfenen Tartan schottischer Feminist:innen soll an die Opfer der Hexenverfolgung erinnern.