Dicht und stolz recken sich die Bäume in der hügeligen Landschaft gen Himmel. Das Video der Umweltorganisation Agent Green zeigt ein nach EU-Recht geschütztes Gebiet im Făgăraș-Gebirge in den rumänischen Südkarpaten. Doch als die Kamera weiter schwenkt, dominiert nicht sattes Grün, sondern kahl geschlagene Hänge und trostlose Schneisen.
Jährlich werden in Rumänien fünf bis zehn Millionen Kubikmeter Holz illegal geschlagen, schätzen Expert:innen. Das Verheerende: Diese Wälder sind oft über Jahrhunderte, gar Jahrtausende gewachsen. In Rumänien liegen etwa zwei Drittel der verbliebenen Urwälder der Europäischen Union, Skandinavien ausgenommen. Reiche Ökosysteme, widerstandsfähig gegenüber Dürren, Stürmen und der Klimakrise. Heimat für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Hier tummeln sich Auerhühner, durchs Dickicht streifen Wolfsrudel, Braunbären und Luchse. Außerdem speichern die Wälder viel CO2.
Im Jahr 2017 hat die Unesco Rumäniens alte Buchenwälder und Buchenurwälder zum Weltnaturerbe erklärt. Viele Naturwälder, aber auch ein Großteil der rumänischen Urwälder zählen zu den „Natura 2000“-Schutzgebieten der EU. Und auch nationale Gesetze verbieten es, Urwälder zu fällen – zumindest auf dem Papier. Noch machen sie 0,5 bis 1 Prozent der Wälder des Landes aus, auf 100.000 bis 300.000 Hektar werden Urwälder und urwaldartige Bestände geschätzt – vor 20 Jahren waren es noch doppelt so viele. Denn der Kapitalismus brachte nicht nur Marktlogik, sondern auch neue Technologien. EU-geförderter Straßenbau machte es leichter, in abgelegenen Gebieten illegal abzuholzen.
In Rumänien Wälder kartieren, um sie zu schützen
Rainer Luick arbeitet an der Hochschule Rottenburg zu rumänischen Urwäldern, auch gemeinsam mit Wissenschaftler:innen vor Ort. Er ist Co-Autor einer Studie, die mit Satellitendaten zur Kartierung der Wälder beitragen soll. Denn es ist ein Problem, dass verlässliche Karten fehlen: Urwald, der nirgends als solcher ausgewiesen ist, kann leichter lukrativem Wirtschaftswald weichen.
Die Nachfrage nach dem Rohstoff ist hoch, auch in Deutschland. Illegal in rumänischen Wäldern gefälltes Holz endet als billige Spanplatten-Möbel, Einweg-Verpackungen oder Pappbecher, sagt Luick. „Dabei gibt es sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für Holz, etwa Vollholzmöbel oder Baumaterial. Das kann langfristig CO2 binden.“ Die uralten Bäume als Energiequelle zu verbrennen, setze hingegen CO2 frei.
Auch Gabriel Păun kritisiert das Verheizen der Ressource. Mit seiner Organisation Agent Green kämpft der Rumäne seit mehr als 12 Jahren für seine Wälder. „Die Situation hat sich nicht verbessert und dafür gibt es einen Grund: Die Nachfrage nach Holz wächst. Und Wälder locken mit schnellem Cash.“ Gerade ist Păun auf dem Weg nach Brüssel, zu Gesprächen mit EU-Parlamentarier:innen. Gleich muss er eine Videobotschaft nach Glasgow schicken, zur Klimakonferenz. Was Păun noch nicht weiß: Bald werden sich dort mehr als 100 Staaten dazu bekennen, bis 2030 Waldzerstörungen zu stoppen, so auch Rumänien.
Doch kann das Land das leisten? Seit Jahren wütet dort eine Holzmafia. Korruption und Machtmissbrauch entlang der Wertschöpfungskette bis hin zur Forstbehörde Romsilva begünstigen illegale Abholzung, indem etwa Karten zu Waldbeständen gefälscht werden, um mehr zu fällen als erlaubt, wie Wisse…
Die alten Wälder sind Lebensraum für bedrohte Tierarten wie Braunbären, Auerhühner und Luchse. Aber auch mit Blick auf die Klimakrise nützt der Wald: Er speichert viel CO2.