Obwohl es erst Anfang Oktober ist, pfeift schneidender Wind um die Häuser der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk. Die Mitarbeiter:innen der Lokalzeitung Galician Korrespondent haben sich in einem der Redaktionsräume um einen Heizstrahler gruppiert.
Es gibt süßen, heißen Tee. Am Vorabend ist Alena Mudra mit dem Zug angereist. Die Journalistin will ihr kleines, rebellisches OnlineMagazin einer Besucher:innengruppe aus Westeuropa vorstellen, die auf Tour durch ukrainische Lokalredaktionen ist. Die lange Anreise aus Transkarpatien ist es Mudra wert. Sie möchte, dass Menschen aus dem Westen verstehen, wie mühsam die Arbeit als Journalistin in der Urkaine ist, aber auch wie wichtig für die Demokratiein ihrem Land.
In dickem Wollpullover steht Mudra vor einer Leinwand. „Pravdaye“ erscheint in großen Lettern auf dem Screen. „Es gibt die Wahrheit“, heißt das. Um diese Wahrheit zu zeigen, hat Mudra mit vier Freunden 2018 Pravdaye gegründet. Jeden Tag ist sie seitdem in der westukrainischen Grenzregion unterwegs und deckt Missstände, Korruption und Betrug auf: „Wir wollten das erste investigative Medium in Transkarpatien sein und über Menschen berichten, die keine weiße Weste haben“, sagt die 32-Jährige. „Wir schreiben die Wahrheit auf.“ Doch oft will sie keiner hören.
Wie vor Kurzem, als Mudra und ihr Team bei Recherchen auf ein Netz von Wirtschaftsbetrüger:innen gestoßen waren. Eine Organisation hatte Fördergelder für die grenzübergreifende Zusammenarbeit von Transkarpatien, Rumänien, Ungarn, der Slowakei und Polen veruntreut. Die Pravdaye veröffentlichte den Artikel, schickte ihre Ergebnisse an die Regierungen in den Nachbarländern und die EU-Kommission. In der Hoffnung, dass irgendjemand irgendwie gegen die Betrügereien vorgehen würde – niemand reagierte.
„Als Journalistin braucht es bei uns besondere Hartnäckigkeit
An Ignoranz und Gegenwind hat sich Mudra längst gewöhnt. Oft antworten Behörden nicht auf Anfragen, weichen aus oder verzögern die Auskunft mit Nachfragen. Manchmal schreiben große, von Politiker:innen gesteuerte Medien diffamierende Texte über die Arbeit von Pravdaye. „Als Journalistin braucht es bei uns besondere Hartnäckigkeit“, sagt Mudra. Doch manchmal lohnt sich die Anstrengung: Vor Kurzem berichtete Pravdaye über eine Bürger:inne…
Wer in der Ukraine über Korruption berichten will braucht einen langen Atem und viel Mut.