Schwerpunkt: Energiewende

Tüfteln für die Energiewende

Eisen als Brennstoff ist CO2-frei, günstig und sogar endlos wiederverwendbar. Studierende in den Niederlanden tüfteln am Kraftwerk der Zukunft.

Ein junger Mann mit dichtem Bart öffnet die Luke. Er schüttet graues Pulver hinein, so fein, dass der Herbstwind es verwirbelt. Mit Sauerstoff vermengt wird es entzündet. Rot-gelbe Funken jagen durch das dicke Rohr neben der Luke, am Bullauge vorbei hinüber zum Boiler, wo der heiße Luftstrom in Dampf umgewandelt wird. Es rauscht. Mit dem Dampf wird nebenan Bier gebraut, ein paar 10.000 Flaschen, nicht viel, aber ein Beweis: Eisenpulver kann kontrolliert verbrannt werden, um Energie zu erzeugen. CO2-frei und kreislauffähig.

Es ist der 29. Oktober 2020. Auf dem Fabrikgelände von Swinkels Family Brewers im niederländischen Örtchen Lieshout steht ein luftiges Gerüst aus Rohren, Maschinen und Kabeln. Drum herum: aufgeregte Studierende, Professor:innen, Reporter:innen. Die großen Kameras der Fernsehteams blinken rot, Action. Zum ersten Mal weltweit wird hier eine Eisenpulver-Anlage außerhalb des Labors getestet. Chan Botter läuft zwischen Medien und Maschine hin und her, beantwortet Fragen, Adrenalin pur. Sie leitet „Team Solid“, eine Gruppe Studierender verschiedener Fächer, von Maschinenbau bis Marketing, an der Technischen Universität (TU) Eindhoven. Ihr Vorgänger Mark Verhagen hilft. Seit Jahren arbeitet das jährlich wechselnde Team freiwillig und unbezahlt an einem Miniaturkraftwerk. Sechs der jetzt 22 Mitglieder haben ihr Studium pausiert, um in Vollzeit anzupacken, der Rest verbringt seine vorlesungsfreie Zeit in den Werkstätten der Projektpartner aus Industrie und Forschung, etwa EM Group, Metalot, Enpuls, Uniper und HeatPower.

Im Rahmen des „Metal Power Project“ wurde weltweit erstmals eine Eisenpulveranlage außerhalb des Labors getestet. Die Wärmeenergie in Form von Dampf wurde in eine Bierbrauerei geleitet.

Foto: Bart van Overbeeke

Im Januar 2022 öffnet Mark Verhagen die Tür zum CoWorking-Space. Er liegt am Rande des Campus der TU Eindhoven, in einem der wenigen modernen Glasgebäuden neben kastigen Sechzigerjahre-Bauten, grau wie der Stoff, um den sich Verhagens Start-up „Rift“ dreht. Mit zwei Teamkollegen hat er es 2020 als Spin-off von Solid gestartet, um die Technologie zu kommerzialisieren.

„Eisenpulver ist ein Brennstoff, genau wie Erdöl“, sagt er. Auf dem Tisch stehen zwei kleine Dosen, eine mit grauem, die andere mit rot-braunem Inhalt. Er öffnet erstere. Kalt, feucht und weich liegt das Pulver in der Hand, schmiegt sich an die Haut, hinterlässt einen Abdruck. Gemischt mit Luft (Oxid) ist der Stoff unter bestimmten Bedingungen entflammbar. Beim Verbrennen oxidiert er. Aber nicht zu CO2, wie Erdöl, sondern zu Fe2O3, also Eisenoxid – das ist gewöhnlicher Rost. Um den Rost anschließend wieder in Eisenpulver umzuwandeln, muss ihm der Sauerstoff (O2) entzogen werden. Dabei hilft ein anderes chemisches Element: Wasserstoff (H2). Dieses entzieht dem Eisenoxid das „Oxid“, also den Sauerstoff. Übrig bleiben Eisen und Wasser.

Als feste Substanzen sind Eisenpulver und Rost relativ leicht aufzufangen. Die Rost-Partikel fallen im trichterförmigen Kraftwerkmodul „Zyklon“ einfach hinunter, weil sie recht schwer sind. Die heiße Luft strömt weiter nach oben in die Luftschleuse und zum Boiler, wo der Luftstrom Wasser erhitzt. 52 Kilogramm Eisenpulver erzeugen pro Stunde 100 Kilowatt Energie in Form von Dampf oder Strom. Aufs Jahr gerechnet ließen sich damit 15 Millionen Bierflaschen produzieren.

Verhagen glaubt: „Eisenpulver ist der Schlüssel zur Dekarbonisierung energieintensiver Industrien“, die etwa Getränke, Chemikalien oder Papier herstellen. Eisenpulver eigne sich auch, um Städte mit Elektrizität und Fernwärme zu versorgen. Der 26-Jährige packt große, geschmeidige Visionen aus. All die Kohlekraftwerke, die gegebenenfalls ab 2030 brachliegen, könnten zu Eisenkraftwerken umgerüstet werden. „Der Bau eines neuen Kraftwerks kostet mehrere Milliarden Euro – der Umbau nur ein paar Hundert Millionen, weil vieles wiederverwendet we…

Bild: Bart van Overbeeke

Eisenpulver ist ein feiner, grauer Feststoff, der verbrannt werden kann, um Energie zu erzeugen. Wie Erdöl – nur emissionsfrei und wiederverwendbar.

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Stoff für die Energiewende

Die Energiewende ist nicht nur dringend notwendig, sondern vielfältig und spannend: Wir haben uns angesehen wie man Strom aus Urin Strom gewinnt, wie Batterien mit Soda nachhaltiger werden oder wie  Eisenpulver als Brennstoff genutzt wird.

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