Herr Baisch, 15 Jahre nach Einführung des Elterngeldes nehmen zwar 43 Prozent der Väter Elternzeit, doch nur 25 Prozent davon länger als acht Wochen, so eine aktuelle Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Familien- und Erwerbsarbeit bleibt also in den meisten jungen Familien traditionell aufgeteilt. Wie können wir das ändern?
Volker Baisch: Indem wir mehr Vätermonate einführen. Das war schon beim Start des Elterngeldes 2007 angedacht. Es muss keine formale Verpflichtung sein – das empfinden viele schnell als staatliche Gängelung –, aber wir brauchen ganz starke Anreize, um Väter zu gewinnen. Grundsätzlich gibt es zwölf Monate Elterngeld. Meist steigen nach wie vor die Mütter die ganze Zeit aus. Wenn anschließend auch das andere Elternteil, in der Regel der Vater, Elternzeit nimmt, gibt es noch mal zwei Monate Geld vom Staat, zwölf plus zwei heißt das. Das sind die Partner:innenmonate. Diesen Anreiz müssen wir massiv ausbauen. Skandinavien macht es vor …
… in Norwegen etwa gibt es 15 Wochen pro Elternteil …
Baisch: … genau: Wenn der Vater die für ihn reservierten Wochen nicht bezieht, sind sie für die ganze Familie verloren. Sie verfallen. Die Männer sollen so einen Anreiz haben, ihren Anteil zu nutzen. Damit sie nicht die gesamte Elternzeit der Frau überlassen. In Norwegen wurde der Umfang dabei über Jahre in kleinen Schritten erhöht, über jede Erhöhung wurde intensiv in den Medien diskutiert, sie war ein wichtiges Thema in der Gesellschaft. Und jedes Mal mal stieg der Prozentsatz der Väter in Elternzeit. Das halte ich für einen besseren Weg, als mit der Brechstange von heute auf morgen die Partner:innenmonate zu verdoppeln. Im Moment haben wir ja zwölf plus zwei, wir könnten schrittweise auf vier plus acht, fünf plus neun, sieben plus sieben gehen. Damit sich Paare und Unternehmen auf die neuen Regelungen einstellen können.
Herr Wolfstetter, Sie sind Unternehmer. Was halten Sie davon?
Hagen Wolfstetter: Von einem Zwang halte ich gar nichts. Natürlich müssen Männer und Frauen die gleichen Rechte haben. Aber weitere Vorgaben stellen uns Mittelständler:innen vor gewaltige Probleme. Wir suchen schon jetzt händeringend nach Leuten, nicht nur nach Fachkräften. Wenn Unternehmen mit zwanzig, dreißig, hundert Mitarbeiter:innen jetzt noch eine weitere gesetzliche Vorgabe berücksichtigen müssten, schießen wir uns wirtschaftlich ins Knie. Große Unternehmen tun sich da sicher leichter in der Planung. Sie haben große Personalabteilungen und können Ausfälle besser abfedern.
Baisch: Aber der Mittelstand macht sich ja extrem attraktiv für junge Väter und Mütter, wo er solche Vorgaben aufnimmt und die Unternehmen entsprechend organisiert. Viele junge Menschen, die Eltern werden wollen oder bereits sind, sagen ausdrücklich: Wir wünschen uns eine geteilte Elternzeit. Diese Phase ist enorm wichtig, weil sich hier Rollen zementieren. Bei partnerschaftlicher Aufteilung können Eltern gemeinsam in ihre neue Rolle wachsen, ein Gefühl dafür entwickeln: Wie wollen wir das jetzt machen? Daher verpflichtet die EU ja ihre Mitgliedsstaaten dazu, gesetzlich wenigstens zu garantieren, dass Väter zwei Wochen nach der Geburt freigestellt werden – bezahlt vom Staat …
… eine Art kurzer Mutterschutz für Väter …
Baisch: … den Deutschland spätestens bis August 2022 hätte einführen müssen. Jetzt läuft ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik, bis Ende 2023 ist Zeit nachzubessern. Immerhin hat Familienminister…
Wir haben den Sozialunternehmer Volker Baisch und Unternehmer Hagen Wolfstetter gefragt: Brauchen wir mehr Vätermonate?