Die weiße Frau von Welt trägt neuerdings Sturmhaube. Egal ob in den Kollektionen von Gucci oder Louis Vuitton: Die Balaklava taucht on and off seit 2021 auf Laufstegen und Gehsteigen von New York bis Berlin auf. Spätestens diese Saison ist sie das Winter-Accessoire der Stunde. Die Haube, die entweder Kopf und Hals oder aber alles bis auf die Augen und den Mund verdeckt, erhielt ihren Namen im Krimkrieg 1854, als britische Frauen den Soldaten des Empires selbst gestrickte Sturmhauben in die Stadt Balaklava auf der Krim-Halbinsel sandten, um sie vor der harschen Winterkälte zu schützen.
Ich liebe kreative modische Innovationen, und natürlich ist es nichts Neues, dass weiße, nicht-muslimische Frauen Kopf und Hals verhüllen. So gibt es die historische Tradition des christlichen Kopftuchs oder Gesichtsschleiers, aber auch das stylische 50er-Jahre Kopftuch à la Grace Kelly und natürlich die zeitgenössische Skimaske. Verpönt wurde das Kopftuch im Westen erst durch eine ab den 60er-Jahren wachsende Islamfeindlichkeit.
Dennoch erscheint es mir etwas makaber, inmitten der brutalen Kriege in der Ukraine und in Palästina und Israel ausgerechnet ein militärisches Kleidungsstück zum Trend zu machen. Außerdem zeigt sich hier eine klare Disparität zwischen dem weißen Privileg, eine Kopfverhüllung zu tragen und dafür als modisch gefeiert zu werden, und der durch zahllose wissenschaftliche Untersuchungen belegten Diskriminierung, die nicht weiße oder jüdische Personen erleben, wenn sie ein Kopftuch tragen.
Während eine Muslima im Hijab im Alltag unausweichlich unerwünschte Blicke auf sich zieht, muss ein Schwarzer Mann in den USA, der mit Sturmhaube unterwegs ist, vielleicht sogar Schüsse fürchten, weil er für einen Einbrecher gehalten wird. Es ist kein Zufall, dass nur sehr wenige People of Colour auf den Trend aufspringen. So kommentierte eine TikTok-Userin ein Video, das weiße Frauen mit Balaklavas als schick bejubelt, mit den Wor ten: „Nicht, wenn du eine muslimische Frau bist, denn dann wirst du Opfer von Hassverbrechen. An einem guten Tag verlierst du deinen Job, an einem schlechten wirst du abgestochen. Aber wenn du eine dünne weiße Frau bist, kannst du als Modeikone in die Geschichte eingehen.“ Als die französische Vogue 2022 ein Bild der weißen, nicht-muslimischen Celebrity Julia Fox im schwarzen Kopftuch mit der Zeile „Yes to the Headscarf“ postete, führte das zu einem Shitstorm: Schließlich ist Musliminnen das Tragen eines Kopftuchs in unserem Nachbarland in allen öffentlichen Gebäuden verboten.
Vielleicht kann die modische Renaissance der Sturmhaube aber auch ein Vorteil sein. Einige User:innen kommentieren den Trend durchaus hoffnungsvoll. So könne dieser vielleicht sogar destigmatisierend wirken: weil er der Öffentlichkeit vor Augen führt, wie ästhetisch eine Balaklava oder ein Hijab eben aussehen kann. Ganz zu schweigen von dem offensichtlichsten Vorteil: Genau wie ihre Verwandte, die Skimaske, hält die Balaklava oder das Kopftuch eben verdammt warm.
Die Balaklava gilt als stylisches Modeaccessoire mit dem auch weiße Frauen gerne posen.