Astronautin Insa Thiele-Eich

„Ich wäre lieber die hundertste deutsche Frau im All – und nicht die erste“

Insa Thiele-Eich ist Meteorologin, Astronautin und könnte bald als erste Frau aus Deutschland ins All fliegen. Ihr Vater, der deutsche ESA-Astronaut Gerhard Thiele, flog 2002 ins All. Mit welchen Vorurteilen sie als Frau in der Raumfahrt konfrontiert wird und wie es ist, in einer Astronaut*innenfamilie aufzuwachsen.

Die private Initiative „Die Astronautin“ wurde gegründet, damit nach elf Männern endlich auch eine Frau aus Deutschland ins All fliegt. War das für Sie ein Antrieb?

Erstmal habe ich das pragmatisch gesehen. Gesucht wurde eine deutsche Frau. Das war für mich endlich überhaupt die Möglichkeit, mich zu bewerben – bei der letzten Auswahl der ESA war ich noch zu jung. Anfangs habe ich mich schon gefragt: Brauchen wir diese Betonung auf „erste“ deutsche Frau im Jahr 2016 noch? Dann wurde ich ausgewählt und stand in der Öffentlichkeit. Plötzlich habe ich verstanden: Ja, wir brauchen es noch. In meiner Wissenschafts-Blase an der Universität Bonn war mir nicht bewusst gewesen, wie viele Vorurteile Frauen, besonders Müttern, immer noch entgegengebracht werden. Es war erschreckend, welche Kommentare ich zu hören bekam.

Zum Beispiel…

… wie ich als Mutter von drei Kindern überhaupt auf die Idee komme, ins All fliegen zu wollen. Außerdem hat mich eine Journalistin in meinem ersten Interview gefragt, ob ich nicht Angst hätte auf der Raumstation. Ich dachte, sie meinte den Raketenstart, aber sie meinte die Angst vor sexuellen Übergriffen durch Kollegen. Auf einer Wissenschaftsmission! Für mich war das unfassbar. Leider gibt es auch genug Menschen, die Frauen grundsätzlich die Fähigkeit absprechen, ins All fliegen zu können.

Dabei umkreiste die erste Frau schon 1963 die Erdumlaufbahn, die Russin Walentina Tereschkowa. Unter den etwa 550 Menschen im All waren immerhin 65 Frauen, wenn auch keine deutschen.

Mir wäre es lieber, wenn ich die hundertste deutsche Frau im All wäre – und nicht die erste. Denn es würde bedeuten, dass wir über solche Fragen gar nicht mehr diskutieren müssten. Wenn ich erzähle, mit welchen krassen Vorurteilen Frauen und auch ich teilweise konfrontiert sind, muss ich mir gleichzeitig anhören: Stell dich nicht so an, so schlimm ist es auch nicht. Es macht müde zu erleben, wie wenig gleichberechtigt die Gesellschaft ist. Dabei nutzt die Beseitigung jeder Schieflage doch allen.

Als Vorbild können Sie helfen, alte Rollenbilder zu knacken.

Ich hoffe es. Tatsächlich bekomme ich Zuschriften von Eltern, die erzählen, dass sich gerade ihre Töchter so über unser Projekt „Die Astronautin“ freuen: Endlich ist mal eine Frau dabei, der man sogar einen Brief schreiben kann. Das ist einerseits schön, andererseits erschreckend. Es zeigt, wie sehr weibliche Vorbilder im MINT Bereich Mangelware sind. Mich freut, dass wir auch viele Jungen als Fans gewinnen.

Wie ist bei Ihnen denn der Wunsch entstanden, ins All zu fliegen?

1987 wurde mein Vater ins deutsche Astronautenkorps aufgenommen, ich bin also in einer Raumfahrtfamilie groß geworden. Als ich 14 war, zogen wir nach Houston. Mich hat fasziniert, mit welcher Begeisterung und Hingabe dort in der Raumfahrt viele, viele Menschen an eine…

Bild: Gezá Aschoff

Insa Thiele-Eich wurde zusammen mit der Astrophysikerin Suzanna Randall aus mehr als 400 Bewerberinnen von der privaten Initiative „Die Astronautin“ ausgewählt. Eine von ihnen soll als erste deutsche Frau ins All fliegen.

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